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In der BRD gibt es keine Zensur?

 

 

Angeregt von der Indizierung eines Rammstein-Albums durch die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM) - eine solche Institution gibt es nur in Frankreich und der BRD - will ich an dieser Stelle einmal darüber nachdenken, wie "so etwas" sich auswirkt.

 

Wir müssen grundsätzlich unterscheiden zwischen Indizierung (Listen A und B) und Strafbarkeit. Indizierung in der Liste A bedeutet: darf nicht mehr umworben werden, wo Jugendliche Zugang haben. Eine Aufnahme in die Liste B bedeutet im Grunde dasselbe, lediglich bei gleichzeitiger Einleitung eines Strafverfahrens, da die BPjM der Meinung ist, daß über den Jugendschutz hinausgehend ein Werk einen Straftatbestand erfüllt.

 

Ein Verbot wird nicht von der BPjM ausgesprochen, sondern durch einen Richter in einem regulären Gerichtsverfahren. In der BRD sind ca. 50.000 Titel (!) verboten, lediglich knapp über 500 in der Liste A der jugendgefährdenden Medien aufgenommen.

 

Es findet keine Abstimmung zwischen Gerichtsentscheidungen und BPjM-Entscheidungen statt! Es existiert keine Liste der von Gerichten verbotenen Werke, was es einem Verlag schwer macht, beispielsweise über den Nachdruck eines älteren Werkes zu entscheiden, da es grundsätzlich verboten sein könnte.

 

Die Liste der Indizierungen wird nicht veröffentlicht! Es können lediglich nachweislich interessierte Stellen (lieber Bürger, Sie also nicht) das Bulletin der BPjM gegen eine hohe Gebühr abonnieren, um über die künftigen Entscheidungen, sprich: Indizierungen, informiert zu werden. Ein Verlag beispielsweise kann eine kostenlose Einzelauskunft bezüglich eines bestimmten Titels bei der BPjM einholen (was natürlich nicht heißen soll, daß ein entsprechend brisanter Titel nicht dennoch strafbar ist).

 

Im Fall Rammstein haben wir es mit einer normalen und harmlosen Indizierung zu tun. Harmlos? Nein. Abgesehen davon, dass die BPjM mit dieser Indizierung viele junge Leute dankenswerter Weise auf die Indizierungspraxis in der real existierenden BRD aufmerksam macht, bedeutet dies ein Werbeverbot und drastische Einschränkungen der Vertriebsmöglichkeiten.

 

Ich orientiere die folgenden Ausführungen am Beispiel eines Buches, da ich mich in der Buchbranche naturgemäß besser auskenne als im Musikgeschäft.

Eine "harmlose", also nicht-strafbewehrte Indizierung eines Werkes durch die BPjM in der Liste A, bedeutet ein Werbeverbot. Der Titel darf von niemandem ab Eintragung in den Bundesanzeiger (Frist ein paar Tage bis ein paar Wochen) in einem Verzeichnis angeboten oder auch nur erwähnt werden, ansonsten würde sich derjenige strafbar machen. Ein Betroffener darf darüber hinaus nicht erwähnen, daß eine Indizierungsverhandlung stattgefunden hat (unabhängig vom Ausgang, egal, ob indiziert wurde oder nicht!), er darf auch nicht mehr zu dem entsprechendem Titel Aussagen veröffentlichen, ansonsten macht er sich strafbar. Mündlich, telefonisch, brieflich, per E-Mail: Der Betroffene darf sich zu dem Titel nicht mehr äußern!

Na gut, dann kann der volljährige Kunde, so die landläufige Meinung der Bürger, ja in einer Buchhandlung den Titel bestellen. - Falsch!

Die Buchhandlungen greifen bei ihren Bestellungen auf die Datenbanken des VLB (Verzeichnis Lieferbarer Bücher) zurück, in welchem nicht alle lieferbaren Bücher tatsächlich aufgelistet sind. Oder sie suchen direkt in den Verzeichnissen der Barsortimente (Libri, KNO usw.), von denen sie sowieso täglich Bücher angeliefert bekommen.

Da all diese genannten Verzeichnisse aber sowohl intern als auch extern und online über bestimmte Dienste zugänglich sind (auch die Datenbank von Amazon  macht von den Verzeichnissen Gebrauch), kann ein Privatkunde auf diesem Wege mit einem indizierten Titel konfrontiert werden. Und dieser Kunde könnte minderjährig sein. Folglich streichen alle Barsortimente und das VLB indizierte Titel sofort aus ihren Datenbanken, mit dem Ergebnis, daß der bemühte Buchhändler den Titel nicht finden und somit auch nicht im Kundenauftrag bestellen kann!

Na, kann dann der Kunde den Titel nicht direkt beim Verlag bestellen? Nein, kann er nicht, da eine Vertriebsbeschränkung für den Verlag existiert. Ein indiziertes Werk darf nicht per Post an inländische Privatkunden oder Buchhandlungen verschickt werden! Auch nicht, wenn der Verlag den indizierten Titel noch vorrätig hat. Der Verlag darf lediglich Großhändler auf dem Versandwege beliefern, aber da diese den Titel nicht mehr in ihren Listen führen (siehe oben: da diese auch Endkunden zugänglich sind), kommt in der faktischen Auswirkung eine Indizierung einem Verbot gleich.

Das wird die herrschende Politiklasse natürlich scharf von sich weisen, da das Grundgesetz schließlich Zensur verbietet. An der Wirklichkeit ändern solche Zurückweisungen allerdings nichts.

Bleibt als letzter Ausweg für den Verlag, vor ein Gericht ziehen und die Indizierungsentscheidung, die in nicht wenigen Fällen von Gerichten aufgehoben wird, zu beanstanden. Diese Möglichkeit existiert zwar, nutzt dem Verlag aber nicht immer viel, da ein solches Gerichtsverfahren bis zu 17 Jahre Laufzeit in Anspruch nehmen kann .

Vielleicht sollten Sie das wissen. Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken.

 

(Hansjoachim Bernt)

 

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